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Filmheft , Progress Film Programm

34/59 Die Moral der Frau Dulski

Das ist ein Stück aus einer so verstaubten und uns
       fern erscheinenden Zeit, und doch liegt sie nur
     wenige Jahrzehnte zurück und war nicht anders bei
     uns als in der kleinen polnischen Stadt
     Was tat eine besorgte Frau Mama, wenn ihr Sohn den
     Aufenthalt in zweifelhaften Nachtlokalen angenehmer
     fand als die Familienabende in einem gutbürgerlich
     eingerichteten Wohnzimmer?
     Sie ging und holte sich aus dem Waisenhaus ein
     neues Dienstmädchen, jung und knusprig. Und siehe
     da, das Mittelchen schlägt an. Der junge Tunichtgut
     findet, für eine Weile zumindest, das blonde, saubere
     Landmädchen Hanka netter als die Schönen der Bar.
     Frau Dulski, eben jene besorgte Frau Mama, ist tief
     befriedigt Sie findet endlich wieder Zeit, ihre Mieter
     zu schikanieren, ihres Pantoffelhelden Erholungsspa-
     ziergänge rund um den Eßzimmertisch zu kontrollieren
     und die Tanzstundenerfolge ihres lyzeumsgebildeten
     Töchterleins zu genießen. Alles scheint in schönster
     Ordnung, bis – ja, bis Hanka ein Kind erwartet! Bis
     der Sohn hinter die „menschenfreundlichen" Schliche
     seiner Mutter kommt und beschließt, das Dienst-
     mädchen zu heiraten. Allen gutbürgerlichen Ge-
     pflogenheiten zum Trotzt Der Skandal ist perfekt. Die
     Familienaufregung wirbelt den Staub aus den Plüsch-
     portieren• Der Herr des Hauses tut nach langen Jahren
     mal wieder den Mund auf. Hol' euch alle der Teufel!"
     sagt er. Frau Dulski liegt tagelang unter einem Eis-
     beutel und sinniert. Dann zählt sie, vor Geiz ächzend,
     ihre sauer erwucherten Scheine und macht dem Mäd-
     chen Hanka ein Angebot. Die nimmt das Geld und
     geht Denn sie weiß: Den „jungen Herm" bekommt sie
     doch nicht, eher holt wirklich der Teufel die ganze
     Sippschaft. So waren die Verhältnisse am Anfang
     unseres Jahrhunderts. In gewissen Landstrichen aller-
     dings scheinen sich solche Bräuche noch hartnäckig zu
     halten.
     Doch werfen wir noch einen kurzen Blick in das hoch-
     herrschaftliche Haus der Frau Dulski: Die Mieter
     müssen jetzt das für Hanka hinausgeworfene Geld
     wieder 'reinwohnen. Der Sohn flüchtet wieder in seine
     Animierlokale, weitere Protestaktionen verbieten sich
     – schließlich lebt er ja vom Geld seiner tüchtigen Frau
     Mama. Der Vater hat wieder aufgehört zu reden und
     qualmt sich mit der einen Zigarre, die ihm allmorgend-
     lich zugeteilt wird, einen kurzen Vergessensrausch an.
     Die höheren Töchter klimpern wieder fleißig auf dem
     Klavier und langweilen sich dabei schier um ihre
     Schönheit. Kurz – die spießbürgerliche Welt ist wieder
     in ihren Fugen. Ein Leben, wie es Gott gefällig ist!"
     sagt die erleichterte Frau Dulski. „Ein Dulski zu sein,
     ist eine Katastrophal" sagt ihr Sohn. – Wirklich, eine
     nette Familiel
     Das Drehbuch dieses gesellschaftskritischen Films ent-
     stand noch dem gleichnamigen Theaterstück der
     polnischen Schriftstellerin Gabriela Zapolska (1860 bis
     1921). Gabriela Zapolska behandelt in all ihren Wer-
     ken soziale Probleme und Mißstände, schildert das
     Elend und die Häßlichkeit des Lebens in der kapita-
     listischen Gesellschaftsordnung, deren Widersprüche
     sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer mehr ver-
     schärften. Vor allem aber gilt ihr schriftstellerischer
     Kampf dem Spießertum und den verlogenen Kon-
     ventionen. Die ehrenwerte' Frau Dulski ist geradezu
     der Prototyp der Spießigkeit, die nicht nur für das
     polnische Bürgertum jener Zeit bezeichnend war.
     In unserer Gesellschaftsordnung hat die Moral der
     Frau Dulski keinen Platz mehr – das ist die über-
     zeugende und ernsthafte Grundtendenz dieser Film-
     Satire.         

 

unten etwas angerissen, sonst in Ordnung, 2-seitiges Faltblatt

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