- Umfang/Format: 31 Seiten : Illustrationen ; 22 cm
- Einbandart und Originalverkaufspreis: : M -.90
- Sachgebiet: Belletristik
Wenn dieses Ich die Wahl hätte, möchte ich im Gedächtnis behalten werden als ein Dichter des Erwachens. Nicht der Nacht. Nicht des erstickenden Geruchs verschwitzter Laken und angstvoller oder hustender Leiber. Nicht der Hyänen auf dem Hügel. Nicht des ringenden Todesengels oder des Babygeplärrs. Nicht des hellen Tages, der von alten und unangefochtenen Riten zeugt — den Leichen am Galgen, die Narben im Licht hinterlassen, den Aasgeiern. die mit offenen Augen schlummern, und den Greisen, die in ihrer sonnenbeschirmten Kühle mit offenem Munde schlafen; nicht des Tages der bleichen Krabben und des halbverdauten Fleisches und der nebligen und baumlosen Ebene des Meeres. Nicht des Tages der Beschlüsse oder der Nacht der Bedenken. Sondern des Erwachens, des End-Schlafens. Ich möchte ein Dichter der Grenze sein, auf der der Mensch die Augen aufschlägt und im Anbruchsbruchteil einer Sekunde alles hört, alles sieht, alles riecht, alles weiß, alles versteht, alles behält und alles vergißt — noch voller Finsternis (wie ein Mädchen vor seiner ersten Blüte), aber schon die Sonne auf der Netzhaut fühlend. Wenn dieses Ich die Wahl hätte.
Breyten Breytenbach
Breyten Breytenbach, geboren 1939 in Bonnievale (Südafrika). Sohn einer wohlsituierten burischen Familie; brach sein Kunststudium an der Universität Kapstadt 1961 ab; Übersiedlung nach Paris; die 1968 mit einer Französin vietnamesischer Herkunft geschlossene Ehe machte Breytenbach nach den Apartheidgesetzen die Rückkehr in seine Heimat unmöglich; beim Versuch einer illegalen Einreise nach Südafrika wurde Breytenbach 1975 verhaftet und zu neun Jahren Haft verurteilt; durch Bemühungen seiner Freunde und der progressiven Öffentlichkeit im Ausland vorzeitig entlassen. Seit 1982 lebt Breyten Breytenbach in Paris. Zahlreiche Ausstellungen seiner Malerei in vielen Städten Europas. Trat auch als Essayist und Erzähler hervor. Gedichtbände: Die Eisenkuh muss schwitzen (Johannesburg, 1964), Das Haus des Tauben (Kapstadt/Pretoria, 1967), Wundbrand (Kapstadt. 1969), Lotus (Johannesburg, 1970), Überbleibsel (Johannesburg, 1970), Schreit (Gedichte und Zeichnungen, Amsterdam, 1972), Mit anderen Worten (Kapstadt, 1973), Das Haus des Tauben (Sammelband, Amsterdam, 1976), Mit anderen Worten (Sammelband, Amsterdam, 1977), Eklipse. Dritte Sammlung vom ungetanzten Tanz (Amsterdam, 1983); deutschsprachige Veröffentlichung: Schwarzer Brand, Kreuz des Südens (Westberlin, 1977).